Kreislaufgerechtes Bauen ist ein zukunftsweisender Ansatz, der darauf abzielt, die Lebensdauer von Materialien zu verlängern, Abfall zu minimieren und die Umweltbelastung zu reduzieren. Durch die Integration von Low-Tech-Lösungen und ressourceneffizienten Strategien wird eine nachhaltige Bauweise gefördert, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll ist. Zirkuläres Bauen war für Jahrtausende gängige Praxis. Das was heute so modern als Urban Mining daherkommt, wurde in der sogenannten vernakulären Architektur seit jeher praktiziert. Das hatte gute Gründe, denn Baumaterial war teuer und knapp. Außerdem war die Bautechnik, die Typologie und die Art der Fügung auf einfache Rückbaubarkeit ausgelegt, sodass eine sortenreiche Trennung der Materialien und damit eine Wiederverwendung von z. B. Balken, Bretter, Mauersteinen, Stützen und Dachziegel. Auch in vorindustriellen Zeiten gab es bereits Verbundbaustoffe, die eine Trennung der Komponenten nicht mehr zuließen, jedoch waren das, anders als heute, Verbünde aus natürlichen Rohstoffen, die entweder für eine weitere Nutzungsphase wieder aufbereitet oder für die Umwelt unbedenklich deponiert bzw. kompostiert werden konnten (z.B. Gefache aus Lehmstroh-Gemisch).
Relevanz des Bausektors für die Circular Economy
230 Mio t Abfall kommt aus dem (Teil-) Rückbau von Gebäuden. Das entspricht 55% des deutschen Abfallaufkommens. Dem stehen 500 Mio. t mineralischer Rohstoffverbrauch (in Deutschland) gegenüber, was 90% des gesamten nicht erneuerbaren Rohstoffverbrauchs entspricht.
Effekte auf den Klima- und Ressourcenschutz: Der lineare Materialverbrauch ist letztlich die Wurzel allen Übels in unserer Welt. Ressourcenverbrauch, Treibhausgasemissionen, vermüllte Meere und andere Umweltverschmutzung lassen sich auf das lineare Wirtschaftssystem zurückführen. Wenn Bauprozesse mehr in Kreisläufen funktionieren würden, wäre das ein Durchbruch für Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz.
ReUse
Dieser Begriff fast hier alles zusammen, was mit Wieder- und Weiterverwendung bzw. -Verwertung zu tun hat. Der Königsweg ist natürlich die Weiternutzung im eingebauten Zustand. In der Ressourceneffizienz absteigend ist die Wiederverwendung eines fertigen Bauteils an anderer Stelle in gleicher Funktion, die Weiterverwendung an anderer Stelle mit anderer Funktion, die Wiederverwertung (Recycling) und die Weiterverwertung (Downcycling). Es gibt bereits eine große Bandbreite an recycelten Baustoffen auf dem Markt, die auch preislich attraktiv sind, so z. B. Zellulosedämmung, Recyclingbeton und Platten aus recyceltem Kunststoff. Die Wiederverwendung gewinnt mit Bauteilbörsen, Geschäftsmodellen und Online-Marktplätzen immer größere Sichtbarkeit, die in architektonischen Prinzipien wie „form follows availability“ ihren Höhepunkt findet.
Eine große Schnittmenge weist das kreislaufgerechte Bauen mit dem einfachen Bauen und dem Prinzip Low-Tech auf. Beim einfachen Bauen geht es darum die in der Baupraxis gewohnten Bauteilaufbauten und Detaillösungen zu hinterfragen und stark zu vereinfachen. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Anzahl der Bauvorschriften mehr als verdreifacht, auf inzwischen über 20.000 Regelwerke. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass das Bauen immer komplexer und damit auch teurer geworden ist. Darüber hinaus haben immer größere Anforderungen an Statik, Wärme- und Schallschutz dazu geführt dass die Bauteilaufbauten wortwörtlich immer vielschichtiger wurden, was für eine spätere Demontage und die Wiederverwendbarkeit nicht zuträglich ist. Seit einigen Jahren wird dem in einigen Pilotprojekten (z. B. Forschungshäuser Bad Aibling von Prof. Florian Nagler) entgegengewirkt. Darin wird auf Forschungsebene untersucht, was alles weggelassen und vereinfacht werden kann, ohne substanziell die gestellten Anforderungen zu verletzen. Das wird umso einfacher je einfacher auch die Ansprüche an die Bauteile sind. Gerade was den Schallschutz angeht haben sich unsere Ansprüche extrem erhöht. Wer ist denn bei einem Neubau heute noch bereit irgendein Geräusch vom Nachbarn zu akzeptieren? Welche Eltern sind noch bereit Kinderlärm aus dem Kinderzimmer zu tolerieren? Auch diese gesteigerte Anspruchshaltung hat dazu geführt, dass das Bauen immer teurer und
komplizierter wird.
Folgende Prinzipien helfen dabei einen Bau kreislaufgerechter zu gestalten:
- Fügen ohne Verkleben, Verpressen und Vermischen: Statt Materialien irreversibel zu verbinden, sollten sie mit reversiblen Techniken wie Schrauben, Stecken oder losem Verlegen verbunden werden. Dies erleichtert den Rückbau und die Wiederverwendung einzelner Bauteile.
- Bauen ohne Verbundbaustoffe: Der Einsatz von Verbundbaustoffen sollte vermieden werden, da sie schwer recycelbar sind. Stattdessen sollten hochwertige, sortenreine Baustoffe verwendet werden, die langlebig und vollständig wiederverwendbar sind.
- Unbehandeltes Holz verwenden: Holz sollte unbehandelt eingesetzt werden, um es nach der Nutzung leichter weiterzuverarbeiten oder erneut zu verwenden. Diese sogenannte Kaskadennutzung trägt zur nachhaltigen Ressourcenschonung bei.
- Materialsuffizient planen: Wenn gut geplant wurde und hochwertige Konstruktionsmaterialien verwendet wurden, muss nicht alles hinter Putz, Abhangdecken und Bodenbelägen versteckt werden.
- Modulare Planung: Die Planung von Gebäuden sollte, wann immer möglich modular erfolgen. Standardisierte Bauteile erleichtern die Produktion und den Transport, reduzieren Materialverschwendung und ermöglichen eine einfachere Demontage am Ende der Lebensdauer des Gebäudes. Nicht zuletzt wirkt sich das modulare und serielle Bauen positiv auf die Wirtschaftlichkeit aus.
- Einfache Reparierbarkeit: Materialien und Bauweisen sollten so gewählt werden, dass sie eine lange Lebensdauer haben und einfach ausgetauscht werden können. Hochwertige, robuste Materialien, die wenig Pflege benötigen, tragen dazu bei, die Lebenszykluskosten zu senken und die Notwendigkeit für häufige Renovierungen oder Ersetzungen zu minimieren. Damit ein Tausch der Haustechnik nicht immer mit einer umfassenden und teuren Sanierung erfolgen muss, empfiehlt es sich die Leitungsverlegung nicht komplett unter Putz zu legen.
Bauen ist ein Matchingprozess: die spezifischen Eigenschaften eines Materials sollten für gute Kreislauffähigkeit stets zum eingesetzten Zeck passen. Beispiel Beton: sehr klimaschädlich und schlecht wiederverwendbar, daher nur da einsetzen wo die besonderen Eigenschaften erforderlich sind: besondere Tragwerke, Brückenbauten und andere Infrastrukturbauwerke. Im Einfamilienhausbau kann vollständig auf Beton verzichtet werden.
Schon heute an das „Morgen“ denken
Auch wenn Sie es nicht mehr erleben: Häuser müssen irgendwann saniert oder abgerissen werden. Die Entsorgung von Bauschutt wird immer teurer, vor allem von Materialien, die nur deponiert werden können. Das kann zukünftige Verkaufsbemühungen erschweren oder den Nachkommen hohe Rückbaukosten hinterlassen. Deshalb ist es sinnvoll, wiederverwendbare, kreislauffähige und gebrauchte Bauteile und Baustoffe einzusetzen. Ein Gebäude, das materialrein und kreislaufgerecht gebaut wurde, wird unter Bedingungen steigender Ressourcenknappheit und strengerer Klimaschutzvorschriften zu einem wertvollen Rohstofflager
Quelle Titelbild: faithie – stock.adbe.com